Dick und doof?

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Ein paar Worte zu „body positivity“ von einem, der allen Grund dazu hätte

von Philipp Braun

Nigel Farage ist auf Cameo! Für 75 läppische Pfund offeriert Mr Brexit, allen „woke-warrior-remoaners“ einen netten, nicht allzu politisch korrekten Gruß zu senden. Toll! Ehrlich, was Nigel Farage kann, kann ich schon lange! Brauche ich also nur noch ein „woke[s]“ Thema, über das ich mich so richtig auslassen kann. Was nun, was tun?

Es heißt, man soll bei sich selber anfangen, bevor man über andere herzieht. Gut, kriege ich hin, habe da genug Material. Welches? Pure Körpermasse, und das geht nicht nur mir so. Besonders „crazy“ Cafés bewerben regelmäßig ihren Kuchen mit dem völlig neuen, äußerst originellen und sehr lustigen Spruch „Je mehr Kuchen Du ist, desto schwerer kannst Du entführt werden – schütze Dich selbst!“ (Hihihihihi, was für ein Kracher!). Das Thema rund um die Zahl auf der Waage ist dann doch um einiges komplizierter, schambehafteter und unangenehmer. Wer dick ist, will es nicht bleiben und wer schlank ist, hat „ja eigentlich gar nichts gegen Dicke“, aber der/die eigene Partner/in solle doch bitte kein Schwabbelmonster sein. Kurzum: Dick sein ist doof. Findet die Gesellschaft. Würde sie aber niemals sagen. Klar.

Dicker Mist, der Dicken-Mist!?

Keine Sorge, meine im Körperbau Gleichen, Rettung naht. Eine neue Bewegung, die Nigel Farage wohl als „woke“ verschreien würde, will das anpacken (bitte nicht wörtlich verstehen). „Body positivity“ nennt sich der Trend, bewusst und nicht gerade unaufdringlich alle vermeintlichen Schönheitsmängel ans gesellschaftliche Tageslicht zu bringen, Sichtbarkeit zu erhöhen und den nicht-Perfekten ihren Raum zu geben. So sollen gesellschaftliche Normen gesprengt, falsche Erwartungen zerstört und gerade Heranwachsenden der Druck genommen werden, gesellschaftlichen Schönheits- und Figuridealen zu entsprechen. Das kommt mir entgegen, den letzteres habe ich wohl nie. Wow, vivre la diversité!

Nun habe ich also ein tolles Thema gefunden, um es dem schnuckeligen Briten gleich zu tun und es mit „woke[m]“ Quatsch aufzunehmen. Au ja! Darauf habe ich nur gewartet und schon gleiten die Finger nur so über die Tasten. Endlich kann ich schreiben, was ich schon immer wollte: Dicker Mist, der Dicken-Mist! Warum? Na, ist doch klar: Wenn „body positivity“ es endlich normal machen soll, nur normal zu sein (will heißen: auszusehen), dann erreicht sie mit ihren Aktionen genau das Gegenteil! Wenn auf Tik Tok figürliche Schrecklichkeiten meiner Statur einem Walross zum Verwechseln ähnlich nur um ebendieser Figur Willen über die Bildschirme gleiten, dann – und das gebe ich zu – erregt das zweifelsohne Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit. Aber das, was „body positivity“ eigentlich soll, wird krachend und bewusst verfehlt. Nicht-perfekte Figuren sollen doch nicht modern, trendig und edgy sein, sondern einfach nur normal. So bringt uns menschgewordenen Speckschwarten das gar nichts und wir sollen’s den Aktivist*innen auch noch danken. Na dann, schönen Dank auch!

Mission Selbstzerstörung

Uiuiui, hat das gesessen. Mensch, bin ich stolz auf mich. Denen habe ich es gezeigt! Doch noch während ich mir selbstzufrieden die Plauze reibe, nagt schon wieder etwas am ach so reinen Gewissen. Muss ich nicht das, was ich die „Woke[n]“ frage, auch gegen mich gelten lassen? Und bin ich wirklich besser?

Im Klartext: Habe ich bei „body positivity“ eben noch gefragt, was sie denn bringt, nur um dann stolz festzustellen, nicht viel, so sieht es bei mir nicht besser aus. Was bringt es all denen, die sich für ihre zu rund geratenen Ecken und Kanten schämen, ihre Bewegung wieder zu verdrängen, zu verbannen, zu verschreien? Dann nervt Tik Tok vielleicht ein bisschen weniger. Dann wurde sich einmal über unförmige, schrille Gestalten aufgeregt. Und dann ist eben wieder alles beim Alten.

Dann bleibt es dabei, dass alle, deren äußere Erscheinungen nicht nach Fortpflanzung schreien, gar nicht oder zumindest viel zu wenig stattfinden. So verlockend es auch sein mag, als scheinbar Vernünftiger „body positivity“ als unnötig „woke“, nervig und sogar kontraproduktiv abzutun, so gefährlich ist es auch. Es ist Mission Selbstzerstörung unter Dicken, die es im Zweifel nur noch schlimmer macht. Das heißt nicht, dass wir nun alle gerade doch unserem Umfeld stets und ständig unsere sehr großen Oberflächen aufdrängen sollten. Wir sollten uns aber auch nicht darüber echauffieren, wenn andere sich offensiv zeigen. Nur dann haben wir erreicht, was Überrepräsentation wie Verteufelung nicht geschafft haben und worum es doch eigentlich nur gehen sollte: Normalität durch Gleichgültigkeit. Dickes Ding, oder?