Kleiner Spoiler-Alarm: Es werden einige Details der Handlung in S02E01 und S02E02preisgegeben.
Es ist wenig überraschend, dass in aktuellen Filmproduktionen mitunter ‚gestrige‘ Ideen transportiert werden. Etwas eigenartiger mag das im Fall der Serie Star Wars: The Mandalorian anmuten, die als Science-Fiction in der Zukunft spielt und deshalb – so könnte man denken – auch zukunftsweisende Ansätze vermittelt. Ideengeschichtlich lässt sich das Naturbild, das in der seit 2019 erscheinenden Serie verhandelt wird, aber auf ein klassisches Filmgenre der frühesten Filmgeschichte zurückführen.
Schaut man sich die zweite Folge der zweiten Staffel („The Passenger“) an, dann fällt ein Motiv deutlich ins Auge: Die Natur als Feind. Unzählige und teils riesige spinnenartige Wesen greifen die Hauptfiguren an und wollen sie fressen. Die einzig adäquate und, zugegeben, naheliegende Reaktion ist, sie alle mit Laserwaffen abzuknallen.
Die Serie greift einige aktuelle Diskurse auf und verwebt sie in ihre Welt: Der alleinerziehende Vater, die Rolle indigener Kulturen, starke weibliche Figuren und noch einige mehr. Es stellt sich daher die Frage, wieso sie ein so feindseliges Naturbild entwirft, das deutlich aus der Zeit gefallen ist: Mikroplastik hat die entlegensten Gebiete der Erde erreicht, Regenwälder fallen im Rekordtempo, Lebensräume werden kleiner und kleiner, Bevölkerungsdruck, steigender Wohlstand (im alten, von natürlichen Ressourcen entkoppelten Gewand) und die meisten anderen Themen unserer Zeit zeigen eine Natur in Bedrängnis durch den Homo Deus – aber die Serie zeigt die ‚Tiere‘ als die fiesen, gefräßigen Geschöpfe, die den Helden ans Leder wollen. Ernsthaft? Wo ist da das Gespür für die Schicksalsgemeinschaft mit der ‚Natur‘, für die Zerbrechlichkeit der gemeinsamen Lebensgrundlagen aller Lebewesen, die als das Kernthema unserer Zeit schlechthin gelten kann?
Die natürliche Umgebung wird in der Serie als feindlich dargestellt. Die Spinnenwesen sind als Killer angelegt, so dass deren Tötung als logischer Schritt, als legitime und notwendige Selbstverteidigung erscheint. Der Großteil der ersten Episode („The Marshal“) handelt davon, einen gigantischen ‚Kraytdrachen‘ in einer Wüste zu vernichten. Das Narrativ ist, dass dieser riesige, unterirdisch lebende Wurm mit vielen, großen Zähnen „die Gegend schon terrorisierte, lange bevor Mos Pelgo [eine Siedlung] gegründet wurde“. Man hätte indessen auch die sicherlich bedeutende ökologische Funktion des Kraytdrachens behandeln können: Wenn ein so riesiger Beutegreifer schon seit Jahrhunderten einen Lebensraum dominiert, hat er sicherlich einen enormen Einfluss auf das ihn umgebende Habitat. Welche Veränderungen werden sich nach seiner Tötung einstellen? Gibt es dann wieder mehr Sarlaccs (andere große, fiese und gefährliche Wesen), die der Kraytdrachen sonst gefressen hätte? Das wird nicht thematisiert. Es ist nun auch nicht Attenboroughs Wildlife on One, sondern ein Star Wars-Franchise.
Warum aber wird die Feindschaft mit der Natur betont? Auf der Suche nach einer Antwort wird man nach einigen Jedipedia- und wikipedia-Artikeln fündig. Star Wars: The Mandalorian gehört dem Subgenre des „Space Western“ an: Hauptfigur ist der „lone gunslinger“, der sich durch die lebensfeindliche und mordlustige Welt schlägt,
sich allein auf die eigenen Fähigkeiten und einige wenige treue Freunde verlassend. Plötzlich ist es ein rundes Bild: Die Welt ohne Regeln, die daraus folgende Freiheit für die Starken, die Unterdrückung der Schwachen, der notwendige Umgang mit der Waffe und eben auch: Die Natur, die mich fressen will.
Obwohl die Dialoge in den besprochenen Episoden offenlegen, dass die ‚gefährlichen‘ Geschöpfe schon vor den Zivilisationen heimisch waren, ‚der Mensch‘ (die Serie ist trotz der Vielfalt der vertretenen intergalaktischen Spezies unbestreitbar anthropozentrisch) also als Eindringling agiert, gibt es keinen Gedanken an die ökologischen Folgen seines Handelns. Diese Ignoranz steht ganz im Einklang mit derWestern-Tradition und ihren toten Bisons und Bärenkrallen-Ketten.
Welche Lehre zieht man daraus? Sicherlich nicht die, allein deshalb die Serie nicht mehr anzuschauen. Viel wertvoller scheint die Erkenntnis darüber, wie sich anachronistische Motive im Fahrwasser neuester High-Budget-Produktionen finden lassen. Die ideengeschichtliche Betrachtung aktueller Filme und Serien unter dem spezifisch ökologischen Blickwinkel dürfte noch etliche solcher Phänomene zutage fördern.
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