ZERBROCHENE WELTEN & GLOBALE TRANSFORMATIONEN

  • Beitrags-Autor:
  • Beitrags-Kategorie:Featured

Eine Zeitenwende mit Ansage 

von Sebastian Sieber

Mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine hat Vladimir Putin nicht nur seine eigenen Landesgrenzen überschritten – auch die sekundären Folgen, in Europa spürbar an den Energiepreisen, in Asien und Afrika an den Nahrungsmittelpreisen, zeigen die globalen Zusammenhänge im 21. Jahrhundert. Dieser Krieg betrifft uns alle, erfordert Solidarität und gemeinsame Lösungsansätze. Es hat bereits massive Auswirkungen auf unsere Gegenwart und Zukunft. Kein Ukrainer allein, kein Russe, keiner ihrer Präsidenten, nicht einzelne Länder – sondern die ganze Welt hängt in diesem Konflikt. Vor der Drohkulisse eines Dritten Weltkrieges werden gerade Entscheidungen getroffen und Aussagen gemacht, die im Nachhinein als historischer Fehler bezeichnet werden könnten. Es kann zu Ereignissen kommen, ob zufällig oder beabsichtigt, die Historiker später als Franz-Ferdinand-Moment einstufen. Anfang März ist 20 Kilometer vor der polnischen Grenze, und damit des Territoriums, auf dem ein NATO-Bündnisfall erzeugt würde, eine russische Rakete eingeschlagen. Jeder Blick in meinen Nachrichtenticker, der minütlich Schreckensmeldungen aus der Ukraine auf unsere Handys befördert, endet dennoch mit einem merkwürdigen Gefühl der Erleichterung, dass keine der Befürchtungen eingetreten ist, die uns an den Rand eines umfassenden Krieges bringen. 

Welche folgenschweren Veränderungen sich aus dieser heftigen, aber immer noch jungen Krise ergeben werden, kann niemand definitiv sagen. Dass der Angriff auf die Ukraine eine neue Dimension im bestehenden Krieg bedeutet, war sofort klar. Auch, dass es sich nicht nur um einen Bruch des Völkerrechts, sondern der internationalen Ordnung handelt. Einzelne geopolitische Wirkungen kristallisieren sich langsam heraus. Diese sind nur schwer sichtbar, aber wichtig zum Verständnis der komplexen Konfliktlage. Denn „Zeitenwende“ sind nicht nur 100 Milliarden Sondervermögen, sondern eine veränderte Weltlage, die dies notwendig macht. Kontext ist wichtig, denn Russlands Angriff ist nicht das einzige sicherheitspolitische Problem Europas.  

Ein Test für den globalen Zusammenhalt 

Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass territoriale Souveränität als zwischenstaatliches Grundprinzip des Friedens in Europa respektiert wird. 

Um die Wirkmacht dieses Paradigmenwechsels zu verstehen, muss man einen Blick auf die etablierte politische Nachkriegsordnung werfen. 

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat man versucht, eine Wiederholung des globalen Schreckens zu verhindern. Mit den Vereinten Nationen und dem Sicherheitsrat sollten Organe geschaffen werden, die Konflikte zwischen Staaten über Verhandlungen regulieren. Jedoch hat man den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats ein Vetorecht zugestanden. Sie können alles, was ihren eigenen Interessen widerspricht, blockieren. Russland brauchte eine Verurteilung durch den Sicherheitsrat niemals fürchten. Dieser Geburtsfehler trägt auch zum heutigen Konflikt bei. Denn auch ein UN-Werkzeug wie die “Responsibility to Protect”, die Grundlage einer Friedensmission aufgrund der Schutzverantwortung für Völker, deren Staat ihren Schutz nicht mehr gewährleisten kann, wird durch das Vetorecht abgestumpft. 

Den Wiederaufbau Westeuropas haben die Amerikaner geprägt. Von der UdSSR im Kalten Krieg herausgefordert, ergaben sich im Schatten des Großmachtkonflikts zahlreiche Stellvertreterkriege, Risse und Konfliktlinien innerhalb von Gesellschaften, die bis heute nicht überwunden sind. Die Ukraine ist nur ein Beispiel dafür, doch in zahlreichen Ländern Osteuropas schwelen solche Konflikte weiter. Dort werden gerade die Nachwehen des Zusammenbruchs der Sowjetunion zum sicherheitspolitischen Erdbeben.  

Die Häufung der Krisen ist dramatisch (und wird noch überlagert von einem existenziellen Problem: Dem Klimawandel). Wir werden uns wieder häufiger mit den Themen Sicherheit, Krieg und Frieden, den aktuell zur Debatte stehenden, sehr grundsätzlichen, Fragen auseinandersetzen. 

Das werden keine leichten Diskussionen: Welchen Weg finden wir zwischen Zurückhaltung und Verantwortung? Zwischen dem Risiko weiterer Eskalation und dem Verhindern grausamster Verstöße gegen die Menschenrechte? Zwischen der Einzelfallentscheidung und den langfristigen Zusammenhängen im größeren Rahmen? Es sind Fragen, die man sich seit Ruanda 1994, Srebrenica 1995, Syrien 2014 stellt und auf die man weltweit keine tragfähigen Antworten gefunden hat.  

Sehr bildlich sehen wir aber genau das, was alle verhindern wollten, nicht weit von uns: Eingekesselte Städte, das Verhindern humanitärer Korridore, zerbombte Wohn- und Krankenhäuser. Tausende getötete Zivilisten, die Ukraine um Jahrzehnte zurückgeworfen und zertrümmert. Trotzdem gilt: NATO, EU, der Westen müssen eine direkte Beteiligung unbedingt vermeiden, um keine weitere Eskalation zu riskieren und damit, dass auch an anderen Orten Europas derartige Gräueltaten drohen.  

Doch man muss sich auch die Frage gefallen lassen, wie lange man noch dabei zuschaut, wie ein Land in unserer Nachbarschaft weiteren Kriegsverbrechen zum Opfer fällt und wie man verhindern möchte, dass Putin seine Ziele militärisch durchsetzt. Lange haben wir uns vorgemacht, dass Putin nicht zu imperialistischen Mitteln greift. Spielen wir nun Putins Spiel mit, der nur die Sprache militärischer Stärke versteht? Führt er mit den Verhandlungen nur wieder alle vor, um lediglich Zeit für seine Soldaten zu gewinnen? 

Die friedlich-kooperative Ordnung Europas mit Russland ist beendet. Diese Änderung in den Beziehungen müssen wir anerkennen und für die Zukunft neu denken, dass hier nun konfrontativ miteinander umgegangen wird. Wie werden wir uns dort wirtschaftlich und sicherheitspolitisch organisieren? Das ist eine zentrale Frage der Zeitenwende.  

Was ist eigentlich diese “Zeitenwende” von der alle reden? 

Vereinbarungen und Regeln bieten Sicherheit. Doch ohne deren Einhaltung ist jegliche Diplomatie nutzlos. Wir erleben gerade eine Phase, in der internationale Stabilität nicht mehr gegeben ist. Putin wirkt derzeit wie ein Wahnsinniger, mit Drang zur Zerstörung und Selbstzerstörung. Doch er ist immer noch ein rationaler Stratege, der 2014 mit der Annexion der Krim die Grundpfeiler der europäischen Sicherheitsarchitektur angesägt und nun mit der Invasion in die Ukraine endgültig eingerissen hat.  

Während lange die USA auf der Weltbühne den Ton vorgegeben haben, sehen wir seit dem 11. September, wie diese stolze Demokratie zunehmend ihre Führungsrolle einbüßt und ihr Präsidentenamt und das Kapitol demokratiefeindlichen Einflüssen überlässt. Die USA finden sich im Dilemma wieder, von ihren internationalen Partnern im Ausland gebraucht zu werden, den Blick aber eigentlich auf ihre gesellschaftliche Zerreißprobe im Innern richten zu müssen. 

China auf der anderen Seite spielt seit Jahren ein gut orchestriertes Spiel, wird als ökonomisches Schwergewicht immer mächtiger und hat das Potenzial, dem internationalen Handel, der Kultur und Politik im nächsten Jahrhundert ähnlich den Stempel aufzudrücken, wie die USA bis heute.  Chinas Hoheitsansprüche auf Taiwan stehen in einer ganzen Reihe ungelöster Konflikte: Indien und China stehen sich an ihrem umstrittenen Grenzverlauf mit 100.000 Soldaten gegenüber. Wie wird China mit Taiwan und den Anrainerstaaten im Südchinesischen Meer umgehen? Wie lange wird noch toleriert, dass die Volksrepublik durch die Aufschüttung von Inseln ihr Territorium erweitert?   

Hinzu kommen weitere Regionalmächte, die sich möglichst viel Einfluss sichern wollen, um ihre nationalen Interessen langfristig durchsetzen zu können, und geraten dabei in Konflikte, die in einer global vernetzten Welt auch andere Länder betreffen.  

Europa: Frieden im Inneren – Krieg drumherum? 

Auch die EU, immerhin Friedensnobelpreisträgerin für die Sicherung des Friedens innerhalb ihrer Mitgliedstaaten, muss ihren Platz in diesem Spiel noch finden und schafft es nur schwer, sich zu internationalen Krisen geschlossen zu positionieren, geschweige denn in diesen gemeinschaftlich zu agieren. Beim Debakel in Afghanistan hatte noch jedes EU-Land seine Bürger separat evakuiert. Mechanismen zu finden, darunter ganz konkret die Abschaffung der Einstimmigkeit in EU-außenpolitischen Fragen, wäre dringend angeraten angesichts des Konfliktgürtels, der sich immer enger um Europa schnallt. In aller Kürze ein paar Punkte herausgegriffen: 

  • Libyen: Ein komplexes Geflecht nahezu aller oben genannter Haupt- und Nebenakteure der internationalen Politik steht hinter Milizen oder der strauchelnden international anerkannten Regierung, die es auf absehbare Zeit nicht schaffen wird, dem Land Stabilität und Frieden zu garantieren. Im Gegenteil, die Teilung des Landes ist hier die wahrscheinlichere Option. 
  • Sahel (von Guinea bis Somalia): Ärmste Gesellschaften, sich verschlechternde Umweltbedingungen, unübersichtliche Territorien, kaum handlungsfähige Regierungen, reihenweise Militärputsche und humanitäre Krisen, militante Gruppen, ethnische und religiöse Konflikte bieten den perfekten Nährboden für Radikalisierung und politische Instabilität. 
  • Islamischer Staat und Al-Qaida: Bereits während die Terrororganisationen weite Teile von Syrien und dem Irak kontrollierten und den Westen terrorisierten, haben sich Ableger und Kooperationen mit anderen islamistischen Netzwerken gebildet. Zahlreiche Kämpfer aus dem Mittleren Osten haben dort Zuflucht gefunden. 
  • Syrien: Hier findet weiterhin eine der größten Tragödien seit dem Zweiten Weltkrieg statt, Lösung nicht in Sicht. 
  • Balkan: Von russischen Hackern und Trollfabriken gesteuerte Desinformations-Kampagnen schüren bestehende gesellschaftlichen Spannungen.  
  • Osteuropa: Mit Ausnahme von Belarus, das uns mit der Instrumentalisierung von Flüchtlingen Ende letzten Jahres gezeigt hat, was es von der EU und deren Sanktionen hält, geht in allen Ländern Osteuropas die Befürchtung um, das nächste Ziel des Putin‘schen Großmachtstrebens zu werden. 
  • Arktis: Die schmelzende Arktis legt Ressourcen und Seewege offen, über welche die Anrainerstaaten, darunter Russland und die USA, sich nicht ohne Streit einigen werden. Nicht umsonst hat vor kurzem ein russisches U-Boot im Polarmeer eine russische Flagge auf den Boden des Ozeans gepflanzt. 
  • Nordirland: Mit dem Streit über die Zollregelungen für Nordirland ist dort ein Konflikt wieder aufgeflammt, gegenüber dem die Bestrebungen Schottlands für ein weiteres Unabhängigkeitsreferendum wie ein harmloser Kindergeburtstag erscheinen. 

Raus aus den Krisen mit neuen Instrumenten 

Eine wertebasierte Außenpolitik möchte die neue Außenministerin verfolgen, eine feministische Außenpolitik. Es ist ein methodischer Ansatz, der marginalisierte Menschen in den Mittelpunkt stellt und nicht klassische Machtinstrumente wie militärische oder wirtschaftliche Stärke. Dadurch soll für alle die „menschliche Sicherheit“ garantiert werden und damit auch Schutz vor gesundheitlichen Risiken, vor Hunger, vor Ungerechtigkeit oder umweltbedingten Schäden. Der feministische außenpolitische Instrumentenkasten hält vielleicht die Werkzeuge bereit, die wir für die Krisen des 21. Jahrhunderts, für die Zeitenwende, benötigen. Als stark vernetzte Exportnation hat Deutschland jahrzehntelang die Vorteile der Globalisierung genossen, trägt nun aber auch einen großen Teil der Konsequenzen aus dem Abbruch von Handelsbeziehungen mit Russland. Die Außenministerin hat schnell erkannt, dass Deutschland zeigen kann, dass man internationale Verantwortung übernimmt, wenn es um die Verteidigung von Grundwerten geht. 

Zugleich darf Annalena Baerbock die vielen anderen Krisen nicht aus dem Blick verlieren. Möglicherweise fällt in ihre Amtszeit eine wegweisende Phase, in der Akteure sich entscheiden (müssen), welche Richtung sie im 21. Jahrhundert einschlagen. Sollten Russland und China ihren bisherigen Kurs fortsetzen und die USA versuchen, ihre Dominanz zu behalten, muss die EU aufpassen, nicht zwischen all den Interessen zerrieben zu werden. Denn der Krieg in der Ukraine folgt einem durchdachten Plan und einem in sich schlüssigen, aus “sowjetischen Enttäuschungen” gebildeten Narrativ Putins, der vermutlich weitere Eskalationen bereithält. Diese gilt es, mit allen Mitteln zu verhindern und deshalb müssen EU, NATO und alle Unterstützer der Ukraine sehr vorsichtig sein. Der Drahtseilakt, einerseits die Grundwerte des Völkerrechts zu verteidigen und andererseits keine Handlungen zu unternehmen, die die Lage verschlimmern, wird die Außenministerien noch lange beschäftigen. Die Bilder aus Mariupol und die offensichtlich falschen Erzählungen russischer Vertreter sind kaum zu ertragen, niemand möchte einen solchen Verstoß gegen die Genfer Konventionen unbeantwortet lassen. Doch wohin würde ein militärisches Eingreifen, eine Flugverbotszone, eine direkte Konfrontation zwischen NATO und Russland führen? Es wäre verantwortungslos, auch nur das geringste Risiko einzugehen, in Putins offenes Messer weiterer Worst-Case-Szenarien zu laufen. Chinesische Diplomaten winden sich derzeit in akrobatischer Rhetorik, im Versuch, an drei strategischen Zielen gleichzeitig festzuhalten, die durch den russischen Einmarsch in Widerspruch geraten sind: Erstens, der strategischen “Freundschaft ohne Grenzen” mit Russland. Zweitens, der territorialen Integrität aller Länder und der Blockadehaltung gegenüber allen “Einmischungen in innere Angelegenheiten”, womit sie aller Kritik an ihrer Unterdrückung der Uiguren oder der Demokratiebewegung in Hongkong begegnen. Drittens möchte die chinesische Führung vermeiden, dass sie selbst wirtschaftlichen Nachteilen, Sanktionen oder dem Misstrauen der EU oder USA ausgesetzt wird. Doch unter die Aussagen mischen sich die Argumente, die Putin derzeit verwendet. Die Worte “Krieg” oder “Invasion” werden vermieden; es wird von “russischer Operation” gesprochen. Ob China an der Seite Russlands mithilfe nicht völkerrechtskonformer Durchsetzung ihrer Interessen oder mithilfe des wirtschaftlich und technologisch nützlicheren Westens als Weltmacht wiederauferstehen möchte, wird das 21. Jahrhundert entscheidend prägen. 

Europa muss entscheiden, mit welchen Mitteln die internationale Ordnung, das Völkerrecht, die Souveränität der Völker, die Menschenrechte und der Frieden verteidigt werden sollen und welche dieser elementaren Bestandteile des globalen Zusammenlebens im Zweifelsfall hinter andere zurücktreten müssen. Die Zukunft wird Dilemma-Situationen bereithalten, wie sie bereits Joschka Fischer einerseits zur Beteiligung am ersten deutschen Auslandseinsatz seit dem Zweiten Weltkrieg und andererseits zum Irak-Krieg aushalten musste.  In beiden Fällen hat sich gezeigt, dass er auf der richtigen Seite stand: Der, des international abgestimmten und verantwortungsbewussten Vorgehens auf Basis sicherer Erkenntnisse. Multilateralismus, internationale Organisationen und Bündnisse werden in dieser Phase mehr denn je gebraucht. Dem hat sich die deutsche Außenpolitik aus ihrer historischen Verantwortung heraus eindeutig verschrieben. 

Recht des Stärkeren vs. Stärke des Rechts 

Welchen Ausweg könnte es geben? Die Ukraine führt es uns vor Augen: Der Einsatz des Präsidenten und der kämpfenden Ukrainer ist absolut bewundernswert. Wir sehen Videos, wie Zivilisten einfahrende russische Panzerfahrzeuge stoppen und Widerstand gegen die Invasoren, wie ihn sich niemand ausgemalt hätte. Die Einigkeit innerhalb Europas ist erstaunlich. Eine jahrelange Blockadehaltung um die Verteilung von Flüchtlingen mündet darin, dass ausgerechnet Polen und Ungarn bereits fast 800.000 Menschen aus der Ukraine aufgenommen haben. Ich möchte auch betonen, dass die Differenzierung zwischen der Flüchtlingswelle 2015 und der jetzigen problematisch ist. Dennoch könnte es ein Schritt in Richtung Einigkeit der EU sein. Bei den Sanktionen geht die EU voran – und mehr als 40 Staaten, darunter die ansonsten sehr zurückhaltenden Finnen und Schweden und sogar die seit 1516 neutrale Schweiz (!) folgen mit nahezu identischen Sanktionspaketen.  

Denn ohne den großen Knall scheinen Gesellschaften oft nicht zu verstehen, dass Sie ein bestehendes Problem nicht einfach ignorieren können. Um einen noch größeren Knall zu verhindern, müssen wir die richtigen Schlüsse ziehen. In einigen Punkten gibt es erste Tendenzen in die richtige Richtung: 

  • Putin betrachtete die EU als zahnlosen Tiger. Jetzt einigt man sich innerhalb einer Woche auf gemeinsam finanzierte Kampfjets für die Ukraine.  Vielleicht lernen wir daraus, dass wir Konflikte um uns herum, die Klimakrise, “früher, entschiedener und substanzieller” angehen müssen. 300 Milliarden für Sicherheit und Klimaschutz sind ein deutliches Signal, um Deutschland für die Phase nach der Zeitenwende bereit zu machen. 
  • Putin wollte die NATO-Osterweiterung stoppen. Das Bündnis hat seinen ursprünglichen Zweck wiedergefunden, Finnland und Schweden werden beitreten.  
  • Russland sollte wieder zu einer einflussreichen Großmacht werden. Doch das Land wird von den Vorteilen der Globalisierung abgeschnitten und in der Entfaltung seiner Machtkapazitäten dauerhaft massiv geschwächt.  
  • Die liberalen Demokratien und multilateralen Zusammenschlüsse sind wichtig und funktionieren! 

Bei all dem sollten wir aufpassen, dass es nicht zu einer elementaren Spaltung kommt. Solidarität mit der Ukraine und unter allen Partnerländern, ein geschlossenes Vorgehen bei den Sanktionen, wird langfristig nur helfen, wenn es dazu führt, dass alle auf der gemeinsamen Basis einer soliden, inklusiven, erneuerten internationalen Ordnung stehen. Das ist der Schlüssel zu einem friedlichen 21. Jahrhundert und einer stabilen europäischen Sicherheitsarchitektur. Nur auf diesen Grundsätzen aufbauend kann es ein gemeinsames Angebot an Russland zu Friedensgesprächen geben. Zugleich Aggressoren in aller Deutlichkeit die Grenzen aufzuzeigen, ist ein diplomatischer Spagat, aber auf einem Bein kann man nicht stehen. 

Gerade werden die Weichen für das globale Zusammenleben im 21. Jahrhundert gestellt. In welche Richtung die Transformation der internationalen Ordnung gehen wird, kann noch niemand sagen, aber auch die werden wir spüren. Vielleicht sind die aktuellen Ereignisse ein Weckruf und führen letztlich zu einem stabileren, nachhaltigeren, multilateralen System. Dieser Krieg ist circa 1600 Kilometer entfernt, doch die Grundsätze, die dort verteidigt werden, sollten hier deutlich geworden sein. Und damit betrifft er uns alle. Niemand ist damit allein, kein Mensch, keine Gruppe, kein Staat – und eine Lösung ist allein nicht möglich, sondern erfordert Kooperation und den Zusammenschluss für diese Werte.